➜ edit sg_031aAlnKwyb4MuLRDIt5E3
Retrospektive
Schnitzler im Kino

Man könnte es eine Art Hassliebe nennen, die Arthur Schnitzler mit dem Kino verbunden hat. Als Zuschauer war er mindestens so begierig wie als Ideengeber gefragt – doch nur die wenigsten Verfilmungen seiner Stoffe fanden seine Zustimmung. Bis heute scheint das Interesse an seinen Figuren ungebrochen, kaum ein Jahr vergeht ohne neue filmische Schnitzler-Bearbeitungen. Anlässlich der Ausstellung des Kaiserpanoramas, dessen Besucher er gerne war, im Mezzanin des METRO Kinokulturhauses zeigen wir eine Auswahl an Adaptionen – darunter Publikumslieblinge, ewige Klassiker und eine Handvoll übersehener Entdeckungen – die seine Literatur in glückhafte Leinwandwirklichkeiten übersetzen.

»Viele schöne Aufnahmen; die ganze Durchführung nicht übel; einige gute schauspielerische Leistungen.«
Schnitzlers Tagebucheintrag zu einer Voraufführung von DER JUNGE MEDARDUS

Zwischen Leinwand und Traum

Als Arthur Schnitzler im Oktober 1931 in Wien stirbt, ist das Kino seinen Kinderschuhen gerade entwachsen und auf dem Weg zur dominierenden Kunstform des 20. Jahrhunderts. Der Arzt, Schriftsteller und Chronist der Wiener Seele beobachtet diese Entwicklung mit einer Mischung aus Faszination und Misstrauen. Für den Analytiker des Inneren ist das Kino zugleich Verheißung und Gefahr – es zeigt die Oberfläche, wo er nach Tiefe sucht. Und doch ist kaum ein anderer Autor der deutschsprachigen Literatur dem Kino so nahe wie er.

Schon früh erkennen Regisseure die filmische Qualität seiner Texte: das rhythmische Ineinander von Dialog und Schweigen, die abrupten Perspektivwechsel, die psychologische Genauigkeit. Novellen wie Leutnant Gustl oder Fräulein Else lesen sich wie Vorboten des Films: Es scheint, als hätte Schnitzler das Denken in Montage, das Schaukeln zwischen Innen und Außen, in seinen Arbeiten vorweggenommen. Vielleicht ahnte er, dass das Kino einmal dort weitermachen würde, wo seine Literatur aufhörte: im Schattenreich zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Verlangen und Schuld. Schnitzlers Figuren sind dabei Getriebene ihrer Zeit – von Begehren, Moral, Selbsttäuschung –, erweisen sich dabei jedoch als erstaunlich zeitlos. Kein Wunder, dass das Kino immer wieder zu ihnen zurückkehrt – allen voran natürlich zum Reigen und zur Traumnovelle, die von Ophüls bis Kubrick den großen Filmregisseuren als Inspiration dienten.

Schnitzlers Wien, dieser schimmernde Abgrund aus Lust und Verdrängung, wird stets aufs Neue zum Sinnbild einer Welt, die in Bildern träumt und an ihrer eigenen Moral zerschellt. Er selbst bleibt dem Kino gegenüber erstaunlich ambivalent: Überliefert ist, dass er ein eifriger Besucher war – »wenn das Arbeiten immer weiter unmöglich« scheint, sich gerne ins Dunkel vor die Leinwand begeben hat. Zwischentitel und Musikimprovisation sind ihm ein Graus. Überliefert sind aber auch die zahlreichen Sträuße, die er mit der Filmbranche ausficht, dem »Raubgesindel«, wann immer es um die Adaption seiner eigenen Stoffe geht. Er fordert aktives Mitspracherecht ein, ist sich ziemlich sicher bewusst, dass das »Innere« seiner Figuren in der Oberfläche des Films verloren zu gehen droht. Während sie auf der Leinwand weiterleben und immer wieder aufs Neue erstehen, bleibt sein Werk ein Spiegel unserer eigenen Träume: flüchtig, verführerisch und seltsam wahrhaftig.
(Florian Widegger)

Do, 4. Dez. - Do, 8. Jän. 2026