➜ edit sc_031leloJjaEEseB8xu8sk5
Schnitzlers Traummaschine Paris

Paris: Schnitzler-Besuch am 11.5.1907

Vor 70 Jahren, am 1. Jänner 1955, schloss Wiens letzte Panorama-Filiale am Stubenring Nr. 12; damit ging eine heute fast vergessene Ära des optischen Reisens rund um die Welt in Farbe und 3D zu Ende. Um 1900 war das Kaiserpanorama ein in fast allen Städten Mitteleuropas vertretenes populäres Massenmedium, eine Illusionsmaschine, die mit wöchentlich wechselnden Bilderserien das Publikum der aufbrechenden Moderne faszinierte.

Ein regelmäßiger und begeisterter Panoramabesucher war Arthur Schnitzler, der technische Neuerungen mit großem Interesse verfolgte. So zählte er zu den ersten Wiener Radfahrern und besaß einen der ersten Telefonanschlüsse. Besonders ausgeprägt war Schnitzlers Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Medien. Belegt sind regelmäßige Besuche in den öffentlichen Grammophon-Salons, und überliefert ist auch seine Leidenschaft für die Fotografie und später fürs Kino.

Zuvor aber faszinierte ihn das Kaiserpanorama, das er am 15. Dezember 1903 erstmals besuchte. Zu sehen gab es eine stereoskopische Reise durch Siam (das heutige Thailand), die Schnitzler derart beeindruckte, dass er eine Woche später, am 22. Dezember, gleich die nächste Serie (Abbazia) sehen wollte, um dann am 23. Dezember einer Besteigung des Großglockners beizuwohnen. Die Wiener Panorama-Filiale befand sich damals am Kolowratring Nr. 7 (heute Schubertring) und präsentierte sich als illustres Etablissement für imaginäre Reisen.

Von einem Vorraum, ausgestattet mit Kassa, Spiegel, Luster, vier Ölgemälden sowie einer Gipsbüste Kaiser Franz Josephs, gelangte man durch einen mit Vorhängen drapierten Durchgang in das eigentliche Panoramazimmer. In der Mitte thronte der runde Holzguckkasten samt Hockern, die Fenster waren verdunkelt.

Rund um den Apparat konnten bis zu 25 Personen Platz nehmen, wobei fünfzig Ansichten in automatisierter Folge vor die Optiken gelangten. Ein Klingelzeichen kündigte die nächste Aufnahme an; für die Betrachtung eines gesamten Bilderzyklus benötigte man rund 20 Minuten.

Arthur Schnitzlers Leidenschaft für das Panorama überdauerte die Hochblüte des Mediums und hielt bis 1927 an: Insgesamt 206 Besuche sind in seinen Tagebuchaufzeichnungen dokumentiert. Damit stand das Kaiserpanorama fast gleichwertig neben Schnitzlers Liebe zum Kino. Mit der medialen Beschleunigung der Wahrnehmung wurde das einst so fortschrittliche Panorama bald zu einem letzten Refugium für eine kontemplative Welterfahrung und avancierte zu einer Traummaschine für Zeitreisen zurück in die Vergangenheit.
(Ernst Kieninger)

freier Eintritt

Mi, 10. Dez. 17:00 - 21:00
Metro Kinokulturhaus
Mezzanin
Di, 9. Dez. 17:00 - 21:00
Metro Kinokulturhaus
Mezzanin