Retrospektiven
 

Franz Novotny

Zum 75. Geburtstag

17.5.–22.6.2024

Seit einiger Zeit geistert der Begriff »Triggerwarnung« durch die Medienlandschaft. Damit sollen potenzielle Zuschauer auf möglicherweise verstörende Inhalte eines Kinofilms hingewiesen werden. Es ist anzunehmen, dass Franz Novotny kein besonderer Freund dieser Praxis ist, müsste man seinen Filmen doch eine ganze Menge solcher Warnungen voranstellen. Provokation, eine Vorliebe für abseitigen Humor, die Ausdehnung und manchmal Überschreitung von Geschmacksgrenzen zählen zu den wesentlichen Merkmalen seines Schaffens, das im weiten Feld zwischen populärer Kunst und kommerziellem Trash anzusiedeln ist. Wir laden zur (Wieder-)Begegnung mit einem der großen Wegbereiter des Neuen Österreichischen Films.

 

Vor ausgewählten Vorstellungen ist eine Auswahl von Novotnys Werbefilmen zu sehen. Begleitend zur Retrospektive hat Franz Novotny eine kleine Carte blanche mit seinen drei Lieblingsfilmen zusammengestellt.


Franz Novotny

Retrospektive vom 17. Mai bis 22. Juni 2024

Kurator

Florian Widegger

Ticketreservierung

reservierung@filmarchiv.at
+43 1 512 18 03 (täglich 14:00–21:00)

Spielort

METRO Kinokulturhaus
Johannesgasse 4, 1010 Wien
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Von Franz Novotny heißt es, er habe einige Zeit lang am Set mit der Pistole in der Hand Regieanweisungen gegeben. Die Vorstellung ist insofern passend (und lustig), da auch seine Filme immer wieder von Außenseitern, von Kleinganoven und Schwerverbrechern handeln – jedenfalls aber von Männern, denen ein gewisser Drang zur Zerstörung innewohnt. Den kennt der Filmemacher in gewissem Sinne von sich selbst: Als Freund von »Tschinbumm«-Kino und Student an der Akademie der bildenden Künste gerät Novotny Anfang der 1970er-Jahre in die Wiener Kaffeehaus- und Aktionistenszene. Für Sendereihen wie PANORAMA, IMPULSE oder LITERATUR IM BILD erhält er erste Regieaufträge beim ORF, doch die Aussicht auf ein Leben als »dauerbeamteter Alkoholiker« macht ihm wenig Freude. Gemeinsam mit dem Komponisten Otto M. Zykan verfilmt er die STAATSOPERETTE, eine Persiflage auf die Zwischenkriegszeit, die die Gemüter am Küniglberg erhitzt. Die Ausstrahlung im November 1977 wird zum Skandal, und Novotny erhält Berufsverbot beim ORF: eine »Rettung durch Selbstverunmöglichung«, die ganz neue Kräfte entfacht.

 

Das Ergebnis dieser Rettung kommt drei Jahre später in die Kinos: EXIT … NUR KEINE PANIK, gemeinsam erdacht mit Gustav Ernst, zeigt Wien als anarchisches Prater- und Vorstadt-Paradies, wie man es vorher noch nicht gesehen hat, vergleichbar mit Paul Verhoevens SPETTERS oder John Landisʼ BLUES BROTHERS. Der Film lebt vom Schmäh seiner Hauptdarsteller, allen voran Hanno Pöschl in seiner Lebensrolle als Strizzi mit großem Mundwerk, und von seiner beispiellosen Melange aus Sex, Crime und RockʼnʼRoll. Während das Publikum begeistert die Säle stürmt, gibt es von konservativer Seite erwartungsgemäß Bedenken, gerade im Hinblick auf das gerade auf den Weg gebrachte Filmförderungsgesetz. Will man zukünftig wirklich solche Filme mit Steuergeld herstellen?

 

Auch mit seinem nächsten Film DIE AUSGESPERRTEN – Roman und Drehbuch: Elfriede Jelinek –, einer Abrechnung mit den Verdrängungsmustern der 1950er-Jahre, weiß Novotny anzuecken, doch das Publikum scheut die Konfrontation mit der eigenen Geschichte. Ein Ausflug ins Fach der Actionkomödie scheitert ebenfalls, mehr Glück hat Novotny in der Werbebranche, wo er beachtliche Spots für Zigarettenmarken, Fortbewegungsmittel oder die SPÖ inszeniert. Von einer Anbiederung ist er dennoch weit entfernt: Arbeiten wie die Fortsetzung zu EXIT oder auch sein bislang letzter Kinofilm DECKNAME HOLEC über die Spionagetätigkeit des Helmut Zilk dürften bei so manchen Genossen Bauchweh verursachen. Mit seiner Ende der 1990er gegründeten Produktionsfirma fördert er 20 Jahre lang regelmäßig junge, vielversprechende Stimmen des österreichischen Films, von Barbara Albert über Jakob M. Erwa bis hin zu Marie Kreutzer. An Ruhestand ist nicht zu denken. (Florian Widegger)

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»Red ned so ordinär, du Oaschloch!«

EXIT ... NUR KEINE PANIK

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