DAS JUNGE WIEN UND LICHTSPIELE 13.4. - 29.6.2018

Jung-Wien bezeichnet einen Dichterzirkel, der Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem in Kaffeehäusern zusammentraf. Zum engeren Kreis zählten der Kritiker, Schriftsteller und »Mentor« der Gruppe Hermann Bahr, der Dandy-Poet Richard Beer-Hofmann, Hugo von Hofmannsthal, der aufgrund früher Erfolge als literarisches Wunderkind galt, der Journalist und Schriftsteller Felix Salten sowie der Arzt und Dichter Arthur Schnitzler.

 

Das Junge Wien setzte sich von Anfang an – im Alltag, in der Freizeit, in theoretischen Texten und im künstlerischen Schaffen – mit ruhenden und bewegten Bildern auseinander.

 

INS BILD GERÜCKT

DAS JUNGE WIEN UND LICHTSPIELE

 

Angeregt durch gemeinsame Praterausflüge setzten sich die Dichter mit optisch-mechanischen Verfahren der Wahrnehmung und ihrer Verarbeitung auseinander. Im Wurstelprater, dem Vergnügungsteil des Areals, ließen sie sich von artistischen Einlagen und illusionistischen Kabinettstückchen begeistern.

»In einer Praterbude schaut man durch, ich glaube durch eine Camera obscura ohne Linse: man sieht die ganzen umliegenden Teile des Wurstelpraters [...], aber so klein, daß einem alles gar nicht wirklich, sondern wie etwas Künstliches vorkommt: so ungefähr sehe ich mir leben zu.«

HUGO VON HOFMANNSTHAL, 1892

Das 19. Jahrhundert brachte neben einem rasanten Industrialisierungs- und Urbanisierungsschub auch eine veränderte Auffassung der Wahrnehmung. Wahrnehmungstheorien wurden neu formuliert und in »philosophischen Spielzeugen« für den Betrachter anwendbar gemacht. Solche Apparaturen erfüllten eine Doppelfunktion als wissenschaftliche Instrumente und Mittel Sinneserfahrung. Bald fanden optische Experimente auch in den Vergnügungsetablissements und wandernden Schaustellungen ihren Platz. Im Prater schulten die Literaten des Jungen Wien ihre Wahrnehmung an »Phantaskopen «, Dioramen, Camerae obscurae und »astronomisch-tellurischenplanetarischen  Darstellungen«.

VOR-FILM

CAMERA OBSCURA

Fällt Licht durch eine kleine Öffnung in einen abgedunkelten Raum, so zeichnen die gebündelten Lichtstrahlen ein auf dem Kopf stehendes, verkleinertes Abbild der Außenwelt auf die gegenüberliegende Wand. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden kleine, tragbare Geräte zu künstlerischen Zwecken eingesetzt.

Laterna-magica-Bild »Mondlandschaft«, um 1858

DOPPEL-LATERNA MAGICA

Als im 19. Jahrhundert die Begeisterung für Transformationsbilder wuchs, etablierten sich Laternen- Vorführungen mit zwei oder mehr Apparaten als integraler Bestandteil der Unterhaltungskultur. Mit mechanisch beweglichen Glasdias und Apparaten zur Überblendung zweier Bilder konnten virtuose Bildwirkungen erzeugt werden.Ende des 19. Jahrhunderts war die Laterna magica als Spielzeug, Unterhaltungsmedium oder Präsentationsgerät in alle gesellschaftlichen Schichten vorgedrungen.

FEHLT: Foto Laterna Magica

LEBENSRAD

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte eine Vielzahl »philosophischer Spielzeuge« die Marktreife, die mit der Illusion von Bewegung arbeiteten. Auseinander- setzungen mit der visuellen Persistenz oder Nachbildwirkung waren in den 1830er-Jahren die Grundlage für die Entwicklung dieser kinetischen Serienbilder. Das Grundprinzip ist die rasche Aufeinanderfolge ähnlicher Bilder, die in der Wahrnehmung des Betrachters zu einem Bewegungseindruck verschmelzen.

FEHLT: Foto Lebensrad

STEREOSKOP

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte eine Vielzahl »philosophischer Spielzeuge« die Marktreife, die mit der Illusion von Bewegung arbeiteten. Auseinander- setzungen mit der visuellen Persistenz oder Nachbildwirkung waren in den 1830er-Jahren die Grundlage für die Entwicklung dieser kinetischen Serienbilder. Das Grundprinzip ist die rasche Aufeinanderfolge ähnlicher Bilder, die in der Wahrnehmung des Betrachters zu einem Bewegungseindruck verschmelzen.

 

Abb. unten: Stereofotografie, Kaiser Franz Josef mit Gefolge, 1898

»PANORAMA, SOLCHE REISESEHNSUCHT«

Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Wien die ersten ortsfesten Stereo- Panoramen. Ihre Blütezeit fällt in die Jahre zwischen 1880 und 1910. Am 15. Dezember 1903 erwähnt Arthur Schnitzler erstmals im Tagebuch das Kaiserpanorama. Der Besuch von Stereoskop-Vorführungen entwickelte sich zur beliebten Freizeitaktivität. »Panorama, solche Reisesehnsucht«, schwärmt Schnitzler in seinen Aufzeichnungen.

 

Doch der Dichter schwelgte nicht nur im fernen »Siam«, er besuchte auch den »Leichenzug« des Bürgermeisters Karl Lueger und propagandistische Bildfolgen über den Weltkrieg. Bis 1927 verzeichnete Schnitzler mehr als 200 Kaiserpanorama-Besuche. Mit dem Aufkommen des Kinematografen begann ein schleichender Niedergang der Kaiserpanoramen. In den 1950er- Jahren schlossen die letzten Betriebe in Österreich ihre Pforten.

Anzeige in den »Brünner Neuigkeiten«, Nr. 263, 29. September 1866




Der Schausteller Alois Polanecky präsentierte ab 1866 mit dem »Stereogramm- Salon-Apparat« einen Voläufer des Panoramas. Eine vieleckige Holzkonstruktion mit Gucklöchern erlaubte die Betrachtung von Glas-Stereos. Polanecky bewarb seine Vorführungen, mit denen er die K.-u.-k.- Monarchie bereiste, als »Reiseersatz «, »naturgetreu und vollkommen körperlich«.

BesucherInnen im Kaiserpanorama, vermutlich Bautzen, um 1913

Der Unternehmer und Projektionskünstler August Fuhrmann griff 1880 Polaneckys Konstruktion auf und entwickelte sie zum Kaiserpanorama weiter. Neben einem Netz von Filialen in Deutschland und Österreich unterhielt er eine Distribution von wechselnden, meist aufwendig kolorierten Panorama-Bilderstrecken, die die Unternehmen mit immer neuem Material versorgten. 1910 existierten in der österreichischen Reichshälfte der Monarchie zirka 50 Panorama-Filialen von Fuhrmann.

 

Fuhrmanns Reporter bereisten die Welt auf der Suche nach Sujets. Neben Naturkatastrophen und Expeditionen war auch der Wiener Prater ein beliebtes Motiv. Zahlreiche Bilderserien stammen vom Klagenfurter Hof-Fotografen Alois Beer, dem Onkel von Alfred Kubin. Er unternahm Reisen durch die Monarchie und darüber hinaus Stereoaufnahmen für das staunende heimische Publikum mit.

Bildergalerie Ö-Stereos

Stereos erzählten auch von den großen europäischen Migrations- wellen des 19. Jahrhunderts und von erhöhter Mobilität, die zur Ausdehnung der Reiserouten auf entferntere Länder führte.

Bildergalerie int. Stereos

DIE ANFÄNGE
VON KINO UND FILM

Im März 1896 begann mit der ersten Filmvorführung in Wien die Geschichte des österreichischen Kinos. Zehn Jahre später existierten bereits zwölf ortsfeste Kinobetriebe in der Hauptstadt. Der Prater spielte in der technischen wie künstlerischen Verbreitung des Mediums eine wesentliche Rolle. Schon 1896 integrierten Jose ne Kirbes und ihr Sohn Josef Stiller kurze Filmvorführungen in das Programm ihrer Schaubude, andere zogen bald nach. Ab 1904/ 1905 erfolgte ein regelrechter Kino-Boom auf dem Pratergelände.