Retrospective
Goran Rebić
Tribute
14.4.–26.4.2023
1999 bis 2000, die Zeit vom NATO-Bombardement bis zur Millenniumsfeier. Im Jahr Null reist Goran Rebić nach Belgrad und begibt sich mit der Kamera mitten ins tektonische Herz seines zerstörten, zerfallenen Geburtslandes. THE PUNISHMENT wird jedoch keine Opferschau, die das Gut/Böse nachexerziert. Es wird schon gar keine Kriegsreportage. In unverstellten Bildern umkreist er, was sich in Nachrichten entzieht, gibt der gefangenen Generation einen Raum, verschafft ihren unterdrückten Stimmen Gehör. Vielleicht ist der Film aber vor allem »eine Reise, eine Suche mit mir«.
1968 in der Vojvodina geboren, aufgewachsen in Wien, knüpfen Rebićs Arbeiten direkt oder indirekt an seine persönliche Geschichte an. Die Themen dagegen sind universell: Herkunft und Heimat, Freiheit und Identität, Krieg und Frieden – mit all den Verwerfungen und dem fatalen Potenzial, aber auch den gelebten Gegenentwürfen. Rebić vermischt in seiner ganz eigenen Handschrift das Biografische mit dem Dokumentarischen: In GEKOMMEN BIN ICH DER ARBEIT WEGEN über seinen Vater Ratko und dessen Ankunft in Österreich Ende der 1960er-Jahre verhandelt er erstmals filmisch seine Zugehörigkeit und liefert damit auch ein erstes und bis heute einzigartiges Dokument zur Arbeitsmigration.
Zu Beginn der 1990er-Jahre beobachtet er in DURING THE MANY YEARS und AM RANDE DER WELT den Aufbruch Georgiens, und wie die junge Unabhängigkeit im darauffolgenden Bürgerkrieg implodiert. Kurze Zeit später entzündet sich im damaligen Jugoslawien ein Flächenbrand, der sich auch hierzulande in den Köpfen rasch ausbreitet. Für JUGOFILM hebt Rebić die echten Nationalitäten seiner SchauspielerInnen auf und besetzt sie konträr, um »an den Punkt zurückzukehren, an dem alles begonnen hat, vor dem ganzen Wahnsinn.«
Rebić sucht seit jeher das Verbindende – in seiner Kunst, in der er die Gegensätzlichkeit seiner Herkunft und Sozialisation verarbeitet, und in den Filmen selbst, in denen es oft einzelne Schicksale sind, die wie in DONAU, DUNA, DUNAJ, DUNAV, DUNAREA im gemeinsamen Boot zu etwas Größerem werden. Als eine Art mythische Zeitmaschine spült der Fluss die Passagiere an ganz anderen Punkten ihres Lebens aus. Rebićs Filme sind wie ein Trip zu jenem Kilometer Null im Donaudelta, an dem sich ein völlig neuer An- und Ausblick öffnet. Und auch er nähert sich den Dingen von der anderen Seite an, von der Mündung Richtung Quelle. (Silvia Breuss)