Retrospective
 

Willi Forst

und der Wiener Film

Online 15.1.–4.3.2021

In den 1930er-Jahren kam man im deutschsprachigen Kino kaum an ihm vorbei. Ob als begnadeter Schauspieler, Sänger, Produzent oder Filmregisseur – Willi Forst hat wie kein anderer jenen Charme und Schmelz verkörpert, für den der »Wiener Film« zum Inbegriff wurde. Es sind Filme, die die Zeit um die Jahrhundertwende heraufbeschwören, leichte, komische Unterhaltungsstücke, immer mit einem gewissen Verve und besonderer Spritzigkeit inszeniert.

 

Die Retrospektive präsentiert neben Regiearbeiten von Willi Forst eine Auswahl seiner bekanntesten Rollendarbietungen. Als Gegenstück dazu widmet sich Der andere Wiener Film jenen Zeitgenossen Forsts, die – anders als er – mit dem Aufstieg der Nazis ins Exil gehen mussten: den ProtagonistInnen des Unerwünschten Kinos.


Willi Forst

Online-Retrospektive vom 15. Jänner bis 4. März

Kurator

Florian Widegger

Programm

5. bis 11. Februar
BURGTHEATER (Willi Forst, A 1936)

12. bis 18. Februar 
ALLOTRIA (Willi Forst, D 1936)

19. bis 15. Februar
BEL AMI (Willi Forst, D 1939)

26. Februar bis 4. März
WIENER BLUT (Willi Forst, D 1942)

Read More

»Die Liebe ist wie ein Tonfilm« … So lautet einer der bekanntesten Schlager, den Willi Forst 1930 in Géza von Bolvárys DAS LIED IST AUS zum Besten gibt. Da ist der schlanke, hochgewachsene Herzensbrecher bereits ein Star. 1903 in Wien als Wilhelm Anton Frohs geboren, sammelt er schon früh Bühnenerfahrung und steht zum ersten Mal in Michael Kertesz’ Monumentalfilm SODOM UND GOMORRHA (1922) als Statist vor der Kamera. Von da an geht es steil bergauf: Fünf Jahre später spielt er an der Seite des zukünftigen »Blauen Engels« Marlene Dietrich in CAFÉ ELEKTRIC eine Hauptrolle, parallel verfolgt er seine Karriere an den renommiertesten Theatern zwischen Wien und Berlin.

 

Sein Gesangstalent trägt mit Sicherheit zum Erfolg im Tonfilm bei. Forst wird zum Star des Wiener Films, den er perfektioniert. Während in Nazi-Deutschland das einst so hohe Niveau der Komödien immer tiefer sinkt, erreicht es mit Forst und seinen ersten Regiearbeiten LEISE FLEHEN MEINE LIEDER, MASKERADE und BURGTHEATER neue Höhen. In gewisser Weise etabliert er damit jene Formel(n), die die kommerzielle österreichische Filmproduktion in den folgenden Jahrzehnten bestimmen wird: Rückbesinnung auf die glorreiche Vergangenheit, eingebettet in ein weitgehend konservatives Wertesystem, trotzdem voller augenzwinkernder Ironie und sich dabei immer im Dreivierteltakt drehend.

 

Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen muss Forst, der ab 1936 seine eigene Filmgesellschaft leitet, die Verfolgung durch die Nationalsozialisten nicht fürchten. Stattdessen versucht er, Politisches von seinen Filmen fernzuhalten und sich nicht für Propagandazwecke missbrauchen zu lassen. Nach dem Krieg erklärt er, die Wien-Lastigkeit seiner Produktionen sei als Protest gegen die Besetzung aufzufassen: »Meine österreichischsten Filme machte ich, als Österreich zu existieren aufgehört hatte.«

 

An seine früheren Erfolge kann er dann nicht mehr anschließen. DIE SÜNDERIN bildet eine Ausnahme: Eine Mini-Nacktszene mit Hildegard Knef, aber viel mehr noch die Thematisierung von Prostitution, Vergewaltigung und Sterbehilfe sorgen für großen Aufruhr in der damals jungen BRD – und locken ein Millionenpublikum in die Lichtspielhäuser. Nachfolger wie KAISERJÄGER oder WIEN, DU STADT MEINER TRÄUME können hier nicht mehr anschließen. Forst resigniert und stirbt 1980 zurückgezogen von der Öffentlichkeit. Sein Stil mag seitdem zwar keine Entsprechung mehr gefunden haben, die Zeiten überdauert hat er allemal. (Florian Widegger)

Zurück